Tanja

Es ist inzwischen Mittag geworden. Schon wieder ist Mauzelszeit. Mieze Tanja wartet im Garten darauf, dass ich ihren Napf mit Trockenfutter fülle. Sie hat es geschafft, mir einzureden, dass ich für sie verantwortlich wäre, obwohl sie eigentlich jemand anderem gehört. Jemandem, der ihr ein hässliches quietschgrünes Halsband umgewürgt hat und sie bei Regenwetter draußen herumstreunen lässt. Das hungrige Katzentier sitzt so pünktlich hinter meinen Pavillon, dass man danach die Uhr stellen könnte. Ungefähr jedenfalls.

Was wird eigentlich aus Tanja, wenn die Imperier kommen?

Hat sie bessere oder schlechtere Überlebenschancen als Mihai und Grilka?

Sie ist manchmal schlau und manchmal ein bisschen dämlich aber immer extrem vorsichtig. Da es ihr schwer fällt, Freund und Feind zu unterscheiden, misstraut sie vorsichtshalber allen Leuten. Auf die Weise könnte sie Glück haben, vorausgesetzt, jemand füllt ihr weiter den Napf mit Knabbies.

„Tja Tanja“, erkläre ich dem moppeligen grauen Tierchen mit den weißen Pfoten. „Du wirst dich wohl an Knut gewöhnen müssen. Ich fliege nämlich in elf Tagen nach Heyla und komme wahrscheinlich nicht wieder. Tut mir leid, mein Schätzchen.“

Tanja tut wieder einmal, als so wäre es kreuzgefährlich, das Fliedergebüsch zu verlassen und meinen Pavillon zu betreten. Als wenn ich sie nicht schon oft genug auf dem Arm gehabt hätte! Aber nun hat sie ihre Scheu überwunden und frisst eifrig.

Schade, dass ich ihr nicht erklären kann, was los ist. Sie wird meine Abwesenheit als persönliche Beleidigung betrachten und Menschen gegenüber noch misstrauischer werden.

„Ich rede mit ihr“, meldet sich die warme Stimme meines Anführers. „Sie wird alles verstehen und vielleicht kann ich sie irgendwo gut unterbringen. Nimm sie doch einfach mit nach Heyla!“

„Du vergisst Mihai und Grilka. Das gibt doch eine Dauerkeilerei.“

„Mach dir keine Sorgen. Ich werde herausfinden, was mit dieser Tanja los ist und etwas Gutes für sie aushandeln. Du weißt doch: Viele Heylaner lieben eure Katzen und wenn die erstmal merken, dass sie sich mit uns verständigen können …“

Er hat recht. Vielleicht ist es das, was der Mieze fehlt …

Mein Bratkartoffelverhältnis futtert immer noch zufrieden. Man kann es hören, wie sie das Trockenfutter zerbeißt. Meine Nähe stört sie nicht mehr.

Es war wieder alles nur Theater.

Ich bleibe ruhig auf der Bank sitzen und hoffe, dass das moppelige Prinzesschen mir nach dem Essen auf den Schoß springt. Manchmal macht sie das und ich fühle mich jedes Mal geehrt. Auf ihre schräge Weise hat sie mich komplett ums Pfötchen gewickelt. Ich würde auf die kleine Zicke nur ungern verzichten. Selbst wenn ausgesprochen nette Heylaner …

Heyla. Ich weiß nicht, ob das ein Traum oder ein Albtraum ist.

 

(Leseprobe aus: „Die Sprache des Roten Sektors“, Band III, Kapitel II)

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