Noch einmal Menschliches zur Pflege

Patienten, Pflegende und Aerzte wuenschen sich sehr, als Individuen wahrgenommen zu werden. Das ist ihr gutes Recht und nur so kann Heilung gelingen.

Wie ueberall gibt es sonne und solche. Wenn beide Seiten sich Muehe geben klappt das meist ganz gut. Und wenn nicht?

Ich beschraenke mich auf den Aspekt Patient. Ueber alles andere weiss ich nicht gut genug Bescheid.

Warum es da manchmal knirscht?

Die ersten beiden Gruende sind simpel und schnell abgehakt:

1. Demente Menschen koennen sehr schwierig sein. Manche schreien, zerren an den Kabeln, sind aggressiv. Sie koennen fuer ihr Verhalten nicht verantwortlich gemacht werden, verursachen aber jede Menge Stress. Da sind Geduld und ein dickes Fell gefragt.

2. Es gibt arrogante und/oder respektlose Patienten, die das Pflegepersonal fuer ihre ganz persoenliche Dienerschaft halten. Sie fordern staendig Beachtung und werden sehr schnell ungehalten, wenn ihre Wuensche nicht ruck zuck befriedigt werden. Wie man mit so etwas umgehen soll, weiss ich auch nicht.

3. Wahnvorstellungen

Nach Komata, und wie ich inzwischen weiss, auch manchmal nach Narkosen, kann es schwierig sein, zu klarem Denken zurueck zu finden. Der Patient ist wach, reagiert vernuenftig auf Fragen, scheinbar ist alles in Ordnung. Aber das stimmt leider nicht.

Glaubt mir, wenn ihr wuesstet, was dieser Mensch wirklich sieht und hoert …bzw. infolge seiner gestoerten Wahrnehmung denkt, wuerde euch moeglicherwise das blanke Entsetzen packen.

Da mischen sich Realitaet und Fiktion auf aeusserst raffinierte Weise. Fuer ihn ist alles ganz logisch.

Es kann passieren, dass der Patient das Pflegepersonal fuer eine Mafiabande haelt, der er unbedingt entkommen muss.

Er koennte auch an kleine gruene Maennchen denken, die ihn sezieren wollen.

Organraeuber sind in dem Zusammenhang wahrscheinlich auch beliebt.

Fakt ist: Der Patient hat grundlos eine Scheissangst und versucht, mit raffinierten Tricks der aus seiner Sicht hoch gefaehrlichen Situation zu entkommen. Ich vermute, dass eine echte Paranoia sich genau so anfuehlt. Oder ein Drogentrip.

Waere dieser Mensch kraeftiger und womoeglich bewaffnet, waere er sehr gefaehrlich.

Wie kann man diesen Zustand beenden?

Bei mir haben zwei Sachen geholfen.

– Der Doc sagte ganz ehrlich: „Wir haben uns solche Muehe mit Ihnen gegeben und Sie behandeln uns wie Feinde. Warum?“ Das traf mitten ins Herz.

– Und dann ganz nebenbei: „Wir hatten eine Riesenmuehe, Sie aus der Narkose wieder rauszuholen. „

Das kannte ich.

Ich war wieder in diesem verdammten Traumland, das ich schon vor 1 1/2 Jahren als ich nach der Sepsis im Koma lag, kennen lernen durfte, gewesen.

Verdammt!

Ploetzlich loesten sich alle Fiktionen auf. Da standen gute, ganz normale Leute vor mir, bei denen ich mich nur noch fuer mein unkooperatives Verhalten entschuldigen konnte.

In Zukunft werde ich, wenn ich nach Komplikationen bei Narkosen gefragt werde, antworten: „Passt auf! Es kann sein, dass ich hinterher komplett spinne.“

Das Niemandsland zwischen Sein und nicht sein ist gefaehrlich wie Treibsand.

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