Weil heute Freitag ist, gibt es wieder ein paar Leseproben. Habt alle einen schönen Tag! 🙂 Diesmal sind sie ziemlich lustig.
Band I: Morgen vor der Haustür“
Kapitel III: Duftspuren im märkischen Wald
„Wir gehen jetzt in mein Büro. Dort warten eine warme Decke und ein gemütliches Feuerchen auf uns. Du musst erstmal tüchtig futtern und wieder zu Kräften kommen.“
Ich rappele mich mühsam auf und wanke mit Unterstützung des Menschen zu der geheimnisvollen Tür. Dahinter ist es wohlig warm. In einem Metallkorb brennen Holzstücke und der Rauch zieht durch ein zerbrochenes Fenster ab. In hohen Regalen stehen dicke altertümliche Papierbücher. An den Wänden hänge Porträts ernst und zuversichtlich blickender Humanoider. Einige von ihnen haben lange Haare im Gesicht. An hölzernen Stangen hängen rote Stofffetzen. Über der Tür klebt ein Pappschild: „Vorwärts zum 40. Jahrestag der Deutschen Demokratischen Republik!“.
Ein ehemaliger Parteisekretär rettet ein sprechendes Pferd
„Meine Spezies kennt nur die Herde und die Freuden des gemeinsamen Grasens und Denkens – und noch gewisse andere Ekstasen, die euch Menschen auch nicht fremd sind. Wir haben nichts und wir brauchen nur grünes Gras und romantische Sonnenuntergänge. An uns hätten die Kapitalisten keine Freude.“
„Ihr seid aber Raumfahrer.“
„Ja, wir sind sehr neugierig Wir möchten immer ganz genau wissen, was es hinter dem nächsten Wald oder hinter dem nächsten Stern gibt.
Das sprechende Pferd
„Vielleicht“, sagt der ehemalige Parteisekretär leise. „Vielleicht kann der Kommunismus nur mit Krakenschnecken oder Pferden richtig funktionieren. Jeder nach seinen Fähigkeiten und jedem nach seinen Bedürfnissen ist da nicht so problematisch, weil bei ihnen die Bedürfnisse nicht, wie bei uns Menschen, wachsen und wachsen … und worüber identifizieren sich diese Wunderschnecken?“
„Genau wie wir über Gedanken und Gesänge … über das, was jeder für das Wohl der Herde tut … über Schönheit, Weisheit und Güte … und ein bisschen auch über die Potenz und die Anzahl der Nachkommen.“
„So was wollten wir ursprünglich auch“, murmelt Manni versonnen. „Krakenschnecken in meiner Grundorganisation, das wäre es gewesen ….“
Ein ehemaliger Parteisekretär denkt
„Wie war das mit euren Anführern? Waren die bedürfnislos und sanft wie die Tannari? Haben sie dem einfachen Volk Bescheidenheit vorgelebt? Waren sie gute Vorbilder?“
„Nein. Es gab extra Läden für hohe Funktionäre mit Waren aus dem Westen. Nein, ich konnte da nicht einkaufen. Mein VEB war zu klein und zu unbedeutend. Ich bekam nur manchmal eine Zuteilung … eher selten …“
„Manni! Wie hat das Volk darauf reagiert?“
„Die haben die Müllhalden gewisser Siedlungen untersucht,“
„Und deine glorreiche Partei?“
„Hat Zäune darum errichten lassen.“
„Und die Leute?“
„Sind über die Zäune geklettert und haben noch mehr Kartons von Quelle und Co gefunden.“
„Ihr dachtet wohl, Zäune wären eine gute Lösung für alles?“
Ein Pferd stellt unbequeme Fragen
© Anneliese Wipperling